Image Alt

Die Situation bei den Nachbarn: Auch tschechische Klassenzimmer blieben leer

  /  Aktuelles   /  Die Situation bei den Nachbarn: Auch tschechische Klassenzimmer blieben leer

Die Situation bei den Nachbarn: Auch tschechische Klassenzimmer blieben leer

Taťána Pohořalová in Aktion

Taťána Pohořalová arbeitet als Deutsch- und Tschechischlehrerin in den Klassen 6 bis 9 einer Hauptschule mit erweitertem Fremdsprachenunterricht im westböhmischen Sokolov (dt. Falkenau). Sie wohnt 20 km entfernt in einem kleinen Dorf namens Krásno mit 700 Einwohnern. Am Beruflichen Schulzentrum Weiden hat sie schon zweimal hospitiert und dabei auch an der Fachakademie im Tschechischunterricht ausgeholfen. Für uns berichtet Tanja (so spricht man die Koseform ihres Namens aus) über den Schulalltag in der Corona-Pandemie.

Zum ersten Mal wurden bei uns die Schulen Mitte März 2020 geschlossen und die Schüler der Hauptschule kehrten bis zu Beginn der Sommerferien am 1. Juli nicht mehr in die Klassenzimmer zurück. Auf diese Situation waren wir nicht sehr gut vorbereitet; unser Unterricht bestand im Wesentlichen darin, den Klassen selbstständige Arbeitsaufträge zu geben ­– digital oder in Papierform. Die Aufgaben konnten sich die Schüler oder ihre Eltern zu bestimmten Zeiten in der Schule abholen.

Auf eine mögliche Schulschließung im Herbst bereiteten wir uns dann zielgerichtet vor. Ende August haben die Lehrer immer eine sogenannte Vorbereitungswoche. In dieser Zeit nahmen wir an einer Reihe Fortbildungen teil: Übergang zur digitalen Notengebung, Arbeit mit „Google Classroom“ und „Google Meet“. In Methodik-Arbeitsgruppen befassten wir uns intensiv mit Arten der Bewertung und didaktischen Plänen für einzelne Fächer.

Das Schuljahr begann am 1. September; schon Mitte Oktober wurden die Schulen erneut geschlossen. Als die Schüler noch in der Schule waren, richteten sie mit Hilfe der IT-Lehrer Konten bei Gmail ein und lernten den Umgang mit „Google Classroom“ und „Google Meet“. Es lief auch eine Umfrage über die nötige technische Ausstattung der Schüler zu Hause. Am 30. November kehrten wir in die Schule zurück, allerdings nur im Wechselunterricht. Die Klassen lernten also teilweise in Präsenz und teilweise in Distanz. Seit dem 18. Dezember befinden sich die Schulen im reinen Distanzunterricht.

Deutsche Verb-Übung mit Wordwall

Notebooks und FFP2-Masken für die Lehrer

Im Vergleich zum Frühjahr 2020 sind wir jetzt für den Distanzunterricht wirklich gut vorbereitet. Lehrer, die zu Hause keinen PC hatten, konnten sich aus dem Computerraum ein Notebook leihen. Im Dezember kaufte die Schule dann neue Notebooks für alle Lehrer.

Im November bekam jeder Lehrer vom Arbeitgeber 10 FFP2-Masken gestellt, vor den Weihnachtsfeiertagen wurde den Lehrern die Möglichkeit kostenloser Tests geboten und im Februar wurden die Lehrer der prioritär zu impfenden Bevölkerungsgruppe zugeteilt. Die Impfung war freiwillig. Als die Regierung das Tragen von Masken auch in der Öffentlichkeit anordnete, stellte meine Heimatgemeinde jedem Bürger 20 FFP2-Masken zur Verfügung und garantierte die Möglichkeit kostenloser Tests sowie Impfpriorität. [Anm. d. Red.: Zum Zeitpunkt der Abgabe des Artikels war Tanja noch nicht geimpft, hatte aber eine Covid-Erkrankung überstanden.]

Schon drei Gesundheitsminister verschlissen

Im Frühjahr 2020 waren die Bürger sehr einsichtig und hielten sich an sämtliche Maßnahmen der Regierung. Leider ist heute die Stimmung in der Gesellschaft eine andere. Die Menschen haben keine Lust, sich ständig einzuschränken, besonders auch deshalb, weil sich die Politiker selbst verantwortungslos verhalten – sie predigen Wasser und trinken Wein. Das Krisenmanagement des Schulministers und des Gesundheitsministers ist chaotisch, an einem Tag wird etwas verboten, am nächsten wird das Verbot aufgehoben. Ich selbst habe inzwischen keinen Überblick mehr, was ich eigentlich darf und was nicht. Während der Pandemie mussten bis April 2021 schon drei Gesundheitsminister zurücktreten.

Wir Lehrer bemühen uns nach Kräften, unseren Schülern das Leben zu erleichtern. Wir erfahren von Todesfällen in vielen Familien und von deren schwieriger finanzieller Situation. Wir bemerken, dass viele Schüler allmählich die Motivation zum Lernen verlieren. Aber der Übergang zum Distanzunterricht brachte auch Vorteile – viele Schüler lernten, ihre Zeit einzuteilen sowie selbständig und verantwortungsbewusst zu handeln. Einigen, die sich in der Klasse weniger wohl fühlen, kommt das Distanzlernen sogar entgegen und sie konnten ihre Leistungen verbessern.

Die Deutschbücher stehen online zur Verfügung

Eltern schätzen Arbeit der Pädagogen

Auch wir Lehrer sehen Pluspunkte – wir haben gelernt, mit IT-Technik, verschiedenen Lernprogrammen, Apps und Online-Lehrbüchern umzugehen. Allerdings fehlt uns allen der Kontakt mit Schülern und Kollegen. Der Distanzunterricht ist für Lehrer zeitintensiver und zwar sowohl bei der Vorbereitung als auch besonders bei der Korrektur von Schülerarbeiten.

Endlich haben auch die Eltern unserer Schüler gemerkt, wie anspruchsvoll der Beruf des Lehrers ist, dass es alles andere als leicht ist, einem Kind etwas zu erklären oder beizubringen und es zum Arbeiten zu bewegen. Neu ist für uns auch die Situation, dass Vater oder Mutter beim Online-Unterricht dabei sind. Das geht beim Präsenzunterricht prinzipiell nicht. Ich glaube, das größte Minus für die Schüler derzeit ist nicht, dass der Lehrstoff nicht ordnungsgemäß durchgenommen und geübt wurde. Die größte Bedrohung ist vielmehr der Verlust von Arbeitsgewohnheiten, eines geregelten Alltags und sozialer Kontakte.

Persönlich finde ich es problematisch, beim Online-Unterricht ins Schwarze unterrichten zu müssen. Es ist keine Pflicht, die Kamera einzuschalten. Trotzdem bin ich manchmal froh, nicht sehen zu müssen, wie die Schüler während der Deutschstunde im Bett herumliegen, essen, trinken und Hund, Katze oder andere Haustiere neben sich sitzen haben.

Ich wünsche mir aus ganzem Herzen, dass wir wieder in die Schule gehen, vor der Tafel stehen, Freud und Leid des Schullebens erleben können. Als Deutschlehrerin kann ich mich sehr schlecht damit abfinden, dass die Grenzen geschlossen sind. Also glaube ich fest daran, dass wir schon bald mit den Schülern wieder nach Deutschland fahren können, wo wir Partnerschulen haben – eine in Saalfeld (Thüringen) und eine in Windischeschenbach (Bayern) –, dass wir uns treffen, planen und gemeinsame Veranstaltungen durchführen können.

Krásno 14.04.2021