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Sommerschule Prag 2019

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Sommerschule Prag 2019

Essigwürstchen, Kultur à la carte und Grammatik satt

Auch 2019 zeigte sich das Tschechische Ministerium für Schulwesen, Jugend und Sport (MŠMT) unseren Studierenden gegenüber großzügig: Drei Stipendien für die „Sommerschule für slawische Studien“, also hochwertige vierwöchige Tschechischkurse an der Prager Karls-Universität, gingen an die Weidener Fachakademie. An dieser Stelle ein herzlicher Dank an die beiden Koordinatoren, Ministerialrat Daniel Kubát vom MŠMT in Prag und Dieter Bergmann vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus in München. Ihr Engagement hat sich gelohnt, wie man am Bericht der drei Stipendiatinnen Janina Landstorfer, Katharina Luber und Patricia Wolfrath (alle FAE 2) sehen kann.

Wie jedes Jahr hatten einige Studierende der Fremdsprachenakademie für Übersetzen und Dolmetschen die einzigartige Chance, ihren Sommer in einer der traumhaftesten Städte Europas zu verbringen, und das nahezu kostenlos. Das klingt unglaublich? War es auch!

Unser kleines Abenteuer begann am 26. Juli und ich muss zugeben, die Gefühle waren anfangs gemischt. Vier Wochen innerhalb der heißersehnten Sommerferien jeden Tag zur Uni gehen und lernen? Manch einer kann sich da sicherlich etwas Besseres vorstellen. Aber wie heißt es so schön? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

So kamen wir also am Freitagnachmittag am Studentenheim Hostivař an und wurden herzlich von den Dolmetscherinnen empfangen und eingewiesen. Dann ging es in unsere kleinen, aber feinen Zimmer, die wir uns jeweils mit einer netten Mitbewohnerin einer anderen Nationalität teilten.

Nachdem die ersten Kontakte geknüpft waren, ging es am nächsten Tag zum gefürchteten Einstufungstest, aber der konnte uns nicht die Freude auf die Willkommensparty am Abend nehmen. Den Test (und auch die Party) überlebten alle und bald darauf saßen wir auch schon in den uns zugeteilten Kursen. Für die Fortgeschrittenen gab es zusätzlich auch Vorlesungen in Bereichen wie Kunst, Geschichte und Soziologie.

Wie jeder Jahrgang wurden auch wir mit einem Gläschen Sekt im Rathaus willkommen geheißen. Zum Abschluss durften wir sogar hinauf auf den Rathausturm. Dort hatten wir einen atemberaubenden Blick über die gesamte Innenstadt und darüber hinaus.

Natürlich gab es neben dem Unterricht auch reichlich Freizeit, in der wir Prag näher kennenlernten und neue Freundschaften festigten. Die Anfangsängste waren schnell vergessen. Habe ich schon erwähnt, dass wir über 140 Schüler aus 36 verschiedenen Ländern waren? So viele Sprachen und Kulturen auf einem Haufen waren schon ein besonderes Erlebnis.

Ebenfalls etwas Besonderes waren die freiwilligen Wochenend-Ausflüge, die uns über die Stadtgrenzen hinausführten. So besuchten wir am Samstag die Kleinstadt Kutná Hora (Kuttenberg) mit der gotischen Kirche Mariä Himmelfahrt und dem etwas gruseligen, von Knochen und Schädeln geschmückten Beinhaus, dem Sedletz-Ossarium.

Am Sonntag nahmen wir drei uns Zeit und erkundeten Prag auf eigene Faust. Und nach diesem entspannten Wochenende ging es auch gleich weiter mit dem Tschechisch-Unterricht, der zwischendurch immer wieder durch Vorlesungen, Spaziergänge, Konzerte und natürlich das tägliche Abendprogramm aufgelockert wurde. Schon mal selbstgemachte tschechische „Utopence“ probiert? Das sind speziell in einem Essigsud eingelegte, wörtlich übersetzt „ertränkte Würstchen“. Ein sehr empfehlenswertes Katerfrühstück!

Auch für Musik-, Film- und Kunstfreunde gab es ein passendes Programm. Am nächsten  Mittwoch ging es in die Nationalgalerie, in der sowohl tschechische als auch deutsche und andere Künstler präsentiert werden. Das folgende Wochenende hatten wir frei und nutzten es, um Besuch aus der Heimat zu empfangen.

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In der dritten Woche besuchten wir vormittags wie gewohnt den Sprachkurs, in dem wir nun auch viel über berühmte tschechische Schriftsteller und Komponisten sprachen. Am Montag wurden bei Nieselregen Gruppenbilder vor dem Rudolfinum gemacht. Später erhielten wir sogar einen Abzug, darunter ein Foto aller Teilnehmer der Sommerschule und eins mit der Klasse, in der wir vier Wochen lang Tschechisch gelernt hatten. Abends hatten wir uns für eine weitere Einzelstunde in Sachen Aussprache angemeldet, dabei lasen wir Wörter vor und wurden akribisch korrigiert.

Am nächsten Abend gingen wir in eine Vorlesung, in der die Website des Tschechischen Nationalkorpus erläutert wurde. Es ist nicht nur ein Online-Wörterbuch, man kann auch herausfinden, ob bestimmte Wörter eher in geschriebener oder gesprochener Sprache und welche Wörter in welchem Teil Tschechiens verwendet werden. Zusätzlich bietet es viele Satzbeispiele, die das Erlernen der Wörter erleichtern sollen.

Am Mittwochabend wurde im Studentenheim die Filmreihe „Hořící keř“ („Burning Bush – Die Helden von Prag“) vorgeführt. Sie handelt vom Tod des Studenten Jan Palach, den Auswirkungen auf seine Familie und dem Drang nach Freiheit in der Tschechoslowakei zu dieser Zeit. Teile der Filme wurden in der Karlsuniversität gedreht, in der wir uns täglich befanden.

Der Nachmittagsunterricht am Donnerstag bestand aus einem Phonetik-Workshop, bei dem wir bestimmte Nuancen in der Aussprache heraushören und identifizieren mussten. Am Freitag gab es kein Nachmittagsprogramm, also nutzten wir die Gelegenheit, um all das zu tun, wozu wir zuvor noch keine Zeit gehabt hatten. Da wurden Souvenirs für die Familie gekauft, wir gönnten uns einen Trdelník (eine Art Baumstriezel und übrigens keine tschechische, sondern eine slowakische Gebäckspezialität) und genossen einen Bummel über den geschichtsträchtigen Altstädter Ring, bevor er von Touristen überflutet wurde. Zu den großen Touristengruppen gibt es Folgendes zu berichten: Auf dem Weg zur Metro-Station waren es immer die eigenen Landsleute, die mitten auf dem Weg für einen Vortrag haltmachten, sodass man sich förmlich hindurchschlängeln musste. Immer diese Deutschen!

Am Samstag hatten wir uns für den Ausflug nach Zvíkov und Písek eingetragen. Zvíkov ist eine wunderschöne Burg auf einer Halbinsel am Zusammenfluss von Moldau und Otava mit tollem Ausblick. Hier entstanden viele fantastische Fotos. Auf dem Rückweg kam uns eine Hochzeitsgesellschaft entgegen, da sich auf der Burg zwei trauten, sich zu trauen. Písek ist eine schöne Stadt; dort besuchten wir ein Museum mit einer Ausstellung zur Fischerei in der „guten, alten Zeit“. An diesem Tag hatte ein Künstler Statuen aus Sand am Fluss gestaltet. Eine davon stellte den „braven Soldaten Schwejk“ dar.

Der Sonntagsausflug ging nach Nelahozeves. Dort ist ein schönes Schloss, das sich im Besitz der Familie Lobkowitz befindet. Wir bewunderten die prächtigen blauen Speisesäle und die mit Jagdgewehren zum Bersten vollen Waffenkammern. Im Ort befand sich auch das Geburtshaus des Komponisten Antonín Dvořák. Wir lernten viel über seinen Werdegang. Den Rest des Ausflugs verbrachten wir bei herrlichem Wetter am Ufer der Moldau.

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Und damit brach auch schon die letzte Woche an. Das Programm ließ jedoch selbst zum Schluss nicht nach und das Event am letzten Montag wird uns mit Sicherheit noch lange im Gedächtnis bleiben: ein Abend internationaler Spezialitäten. In lockerer Atmosphäre stellten wir uns gegenseitig unsere Heimatländer vor. Von geografischen Details über Musik und berühmte Persönlichkeiten bis hin zu den beliebtesten Gerichten: Jedes Land wusste sich bestens zu präsentieren.

An abwechslungsreichen Showeinlagen fehlte es natürlich nicht, und so führten uns waschechte Texaner den berühmten „Two Step“ vor, während die Mexikaner die Studenten nach einer Tequila-Verkostung zu einem flotten Gruppentanz animieren konnten. Die Polen und die Deutschen stellten das Gedächtnis der Gruppe mit ausgefuchsten Rätseln auf die Probe und vergaben sogar Preise an die Gewinner. Andere Länder nutzten eine Strategie, die selbst auf internationaler Ebene jeden überzeugt: Essen und Getränke aus dem Heimatland zur Verkostung. So brachte uns Taiwan einen selbstgemachten traditionellen Bubble Tea mit, Frankreich überzeugte mit Camembert und Roquefort und Amerika präsentierte das klassische PB&J-Sandwich (peanut butter and jelly sandwich).

Der Dienstag verlief wegen des vorherigen Abends ziemlich ruhig. Gemeinsam mit unserer Lehrerin ließen wir das Klassenzimmer hinter uns und schlenderten durch die Altstadt. Hier und da machten wir Halt, lauschten Geschichten über Franz Kafkas Kindheit oder bestaunten eines der wunderschönen Gebäude. Mit unserer erfahrenen Touristenführerin war der Spaziergang sehr informativ, lustig und eine willkommene Abwechslung. Am Nachmittag gab es für uns auch noch ein letztes Mal die Möglichkeit, einen Workshop zu besuchen.

Der Mittwoch bot mit einer Lücke im Abendprogramm für uns die perfekte Gelegenheit, noch einmal eine kleine Privatparty auf die Beine zu stellen. So sammelten wir alle Brett- und Kartenspiele, die wir finden konnten, organisierten ein paar Getränke und machten uns bester Laune auf den Weg in den Lernraum des Wohnheims. Auch wenn der zu unserer Überraschung ziemlich trostlos eingerichtet war und es etwa so roch wie bei Oma unterm Sofa, ließ sich niemand davon die Stimmung verderben. Mit ein bisschen Möbelschieben, einer Flasche Duftspray und etwas Teamwork war der Raum im Handumdrehen für unsere Zwecke geeignet – und wir waren wieder einmal begeistert davon, wie gut wir uns mittlerweile mit unseren Freunden auf Tschechisch verständigen konnten. So lief der Abend fröhlich vor sich hin, und unter Gelächter, tiefsinnigen Gesprächen und dem einen oder anderen Glas Wein wurde uns doch schmerzlich bewusst, dass unser Abenteuer sich langsam dem Ende zuneigte.

Am letzten Tag waren wir dankbar über verkürzten Unterricht und freuten uns stattdessen darüber, dass unsere liebe Lehrerin uns in das berühmte kubistische „Café Orient“ einlud. Sie erinnerte sich dabei an ihre eigene Zeit als Studentin und wie ihr Lehrer ihre Klasse damals zum Abschied auf Kaffee und Kuchen eingeladen hatte – eine Tradition, die sie nach diesem Vorbild auch bei uns fortführen wollte. Da um 15 Uhr bereits die Abschlusszeremonie beginnen sollte, verabschiedeten wir uns rechtzeitig, um noch ein Abschiedsgeschenk für unsere Lehrer zu besorgen und uns für die Zertifikatsverleihung aufzubrezeln.

Die Zeremonie war einzigartig und feierlich. Nachdem wir unsere Sitzplätze eingenommen hatten, schritt das gesamte Lehrerkollegium den langen Gang der großen Halle des Karolinums entlang. Alle trugen besondere Festgewänder und zum Teil sogar historische Kostüme und während des Einzuges wurden sie von atemberaubenden Orgelklängen begleitet. Nachdem sich alle auf ihren Plätzen am Podium eingefunden hatten, hielten die Direktorin und einige Studenten eine Rede, die Zertifikate wurden an die Repräsentanten der Klassen vergeben und der Chor gab ein Konzert zu Ehren von Schule, Lehrern und Schülern.

Später am Abend, beim abschließenden Fest in der Mensa unseres Wohnheims, richtete unsere Direktorin ein paar kurze Worte des Dankes und der Verabschiedung an uns, bevor sie das Buffet freigab. Es war ein letztes Beisammensein, bevor wir am nächsten Tag alle wieder unsere eigenen Wege gehen würden.

Doch unsere Zeit in Prag, unsere neuen Freunde und natürlich unsere Sprachkenntnisse werden uns für immer mit Freude an die Sommerschule zurückdenken lassen.