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Arbeiten und Leben in Tschechien

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Tschechien ist ein wirtschaftlich starkes Land mit solidem Wachstum und einer sehr geringen Arbeitslosenquote. Eine Reihe deutscher und tschechischer Firmen ist auf beiden Seiten der Grenze tätig und daher gibt es attraktive Arbeitsplätze. Da im Nachbarland immer weniger junge Menschen Deutsch lernen, besteht große Nachfrage nach Arbeitskräften mit guten Deutsch-, Englisch- und im Idealfall auch Tschechischkenntnissen. Wer sich in der Landessprache verständigen kann, dem fliegen die Sympathien der Tschechen zu und es werden sich viele Türen öffnen.

Hier lesen Sie drei Geschichten von Absolventen der Fachakademie, die in Tschechien gelebt und gearbeitet haben – und andere ermuntern wollen, ihrem Beispiel zu folgen.

Ein neues Leben bei Monster in Brünn

Simone Guschlbauer (2. v. r.) mit Kolleginnen auf der Dachterrasse ihrer Firma in Brünn

Es war reiner Zufall, dass es Simone Guschlbauer 2017 nach der Abschlussprüfung an der Weidener Fachakademie nach Tschechien verschlug. Während ihres Erasmus+-Berufspraktikums in Pilsen ein Jahr vorher wurde sie über ein Plakat an der Autobahn auf die Arbeitsvermittlung „Reed Global“ aufmerksam (https://www.reed.com/). Eine Seite, die sie übrigens wärmstens empfehlen kann!

Prag war der Vilseckerin zu groß, also nahm sie Brünn ins Visier – ohne zunächst zu wissen, wo Tschechiens zweitgrößte Stadt eigentlich liegt. Das Auswahlgespräch fand per Skype statt, und innerhalb einer Woche hatte Simone ab September 2017 eine Arbeit im Callcenter eines Unternehmens, das günstige Flüge verkauft.

Warum nicht Deutschland? „Ich habe für keine Stelle eine Zusage bekommen, wurde zu keinem einzigen Gespräch eingeladen. Eigentlich wollte ich Übersetzerin werden, aber ich hatte Angst, als Selbstständige meinen Lebensunterhalt nicht bestreiten zu können. Und irgendwann hat es mir gereicht, in Deutschland ständig abgewiesen zu werden. Außerdem wollte ich herausfinden, wie es sich in einem anderen Land lebt und arbeitet. Durch mein Praktikum in Pilsen hatte ich bemerkt, dass es mir in Tschechien eigentlich gut gefällt.“

Simone fasste den Plan, zwei, drei Jahre Erfahrungen zu sammeln und dann mit guten Tschechischkenntnissen zu Hause bei einer einschlägigen Firma anzuheuern. Inzwischen gefällt es ihr allerdings in Brünn so gut, dass sie ihre Heimkehr immer wieder aufschiebt. Sie arbeitet heue als „Associate Sales Support“ bei der Jobbörse „Monster“, Betreiber von Online-Stellenportalen und Tochtergesellschaft von Randstad Holding (https://www.monster.com/), im Brünner Zentrum des Kundendienstes – und das dank ihrer Deutschkenntnisse, die in Tschechien immer mehr zur Mangelware werden.

Die Firma zahlt zwar für tschechische Verhältnisse überdurchschnittlich gut, aber nicht ganz auf deutschem Niveau. Das wird durch etliche Pluspunkte ausgewogen: geringere Lebenshaltungskosten, ausgezeichnete Ausstattung und Service am Arbeitsplatz, flexible Arbeits- und Urlaubszeiten, Gesundheitsversorgung, Versicherungen sowie Ermäßigungen für Kultur- und Sportevents. Wegen (bzw. dank) der eingeschränkten Möglichkeiten in Corona-Zeiten konnte Simone von ihrem Gehalt so viel beiseitelegen, dass es früher als vorgesehen für die Tilgung ihrer BAföG-Schulden reicht.

Sehr positiv ins Gewicht fallen überdies eine international geprägte, kollegiale und freundschaftliche Arbeitsatmosphäre und ein reiches Freizeitprogramm mit – Qual der Wahl! – eigentlich viel zu vielen Veranstaltungen. Die Verständigung in Job und Freizeit mit Menschen aus aller Welt (Australien, den USA, europäischen Ländern wie Frankreich, Österreich, Großbritannien, Polen, Kroatien, Schweden und auch Deutschland) läuft überwiegend auf Englisch. Trotzdem hat Simone ihr Ziel, ihr Tschechisch zu optimieren, nach wie vor fest im Auge.

Was genießt sie mit am meisten? „Die Ausgehkultur – in Weiden sind die Straßen unter der Woche ab 6 bis 7 Uhr abends wie leer gefegt. Brünn ist eine Großstadt, da geht es zu dieser Zeit erst richtig los. Außerdem haben hier die meisten Läden auch am Sonntag geöffnet. Und mit Bus und Straßenbahn kommt man auch nachts um 3 noch zuverlässig nach Hause.“

Als Empfehlung gibt sie zukünftigen Absolventen mit: „Lasst euch nicht entmutigen, wenn es nicht sofort klappt, manchmal kommt man über Umwege ans Ziel. Oder man landet irgendwo, woran man noch nie gedacht hat, und fühlt sich dort unglaublich wohl. Und geht immer euren eigenen Weg, egal, was andere dazu sagen.“

Andrea Hielscher

Als Freiwilliger bei Tandem Pilsen

Anfang September 2020 verlegte Rainer Wilka, Studierender der Weidener Fachakademie, seinen Wohnort rund 100 km nach Osten und trat in Pilsen ein sehr erfolgreiches Freiwilligenjahr an. Einen Arbeitsplatz fand er bei Tandem, dem Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch. Diese Zeit hat ihm so gut gefallen, dass er plant, weiterhin in Tschechien zu arbeiten oder zumindest beruflich zum Grenzgänger zu werden.

Da ein Teil von Rainers Familie aus Böhmen stammt und er sich dem Nachbarland stark verbunden fühlt, hatte er sich schon vorher mit der tschechischen Sprache beschäftigt. Doch erst durch den intensiven Unterricht an der Fachakademie konnte er sich im Nachbarland fließend verständigen. Seine Leistungen wurden mit dem Tschechisch-Zertifikat der Karls-Universität auf dem Niveau B1 belohnt, während die Klassenkameraden gleichzeitig das Niveau A2 ablegten. Besonders beeindruckt ihn, „wie leicht man als interessierter Fremder in Tschechien aufgenommen wird“, vor allem wenn man Tschechisch lernt.

Ende des Schuljahres 2019/20, mitten in einem persönlichen Corona-Loch, wurde Rainer auf eine Anzeige der Organisation Tandem aufmerksam, in der eine Freiwilligenstelle neu besetzt werden sollte. Tandem unterstützt und fördert den deutsch-tschechischen Austausch für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene und ermöglicht zum Beispiel Berufspraktika und spielerisches Tschechischlernen. Organisiert wird diese Arbeit von den Büros in Regensburg und Pilsen, wo außer den regulären Mitarbeitern auch europäische Freiwillige im Einsatz sind.

Das war das Signal, auf das Rainer gewartet hatte: in einem anderen Land neu durchstarten. Nach Bewerbung und Vorstellungsgespräch per Videokonferenz bekam er die erhoffte Zusage und begann am 1. September 2020 seine Tätigkeit in Pilsen. Er bezog ein kostenloses Zimmer in einem Studentenheim und bekam neben einem Verpflegungszuschuss auch ein monatliches Taschengeld ausbezahlt, wodurch er seinen Lebensunterhalt gut bestreiten konnte.

Rainers Hauptaufgabe war die Betreuung des Projekts „ahoj.info“. Dieses Portal spricht vor allem Jugendliche an, die sich für grenzübergreifende Nachrichten und Aktionen interessieren. Neben Internet-Beiträgen wie Blogs, Interviews und Videos werden auch internationale Begegnungen in Seminaren und Diskussionsrunden organisiert. Ziel ist es, Grenzen im Kopf abzubauen und Horizonte zu erweitern. Auch wenn wegen der Pandemie vieles abgesagt werden musste oder nur online stattfinden konnte, machte Rainer die Arbeit großen Spaß – vor allem wegen der „wunderbaren Kollegen“, die ihn herzlich aufnahmen. Das versüßte ihm sogar manchen Papier- und Organisationskram, der auch zum Tagesgeschäft gehörte.

Im Herbst und Winter war Tschechien eines von der Pandemie am meisten betroffenen Länder Europas und die Arbeit wurde zunehmend auf Homeoffice umgestellt. Statt des gewohnten Austauschs mit den Kollegen im Büro gab es jetzt Videokonferenzen. Für Rainer war es dennoch eine positive Erfahrung, dass Zusammenarbeit im Online-Umfeld gut funktionieren kann und hier viele spannende neue Entwicklungen passieren.

Im Freiwilligendienst bei Tandem stehen verschiedene Zusatzaktivitäten zur Auswahl: Foto- oder Sprachkurse an der Uni, Kurse in Sprachanimation, der spielerischen Vermittlung der Fremdsprache, oder Deutschunterricht für Tschechen. Rainer entschied sich für Letzteres und gab mit großer Begeisterung eine Wochenstunde Konversation an der Handelsakademie. Daneben lernte er fleißig Tschechisch mit einer Privatlehrerin und hat inzwischen – zur Freude seiner Kollegen – keine Verständigungsprobleme mehr.

In Pilsen fühlt sich Rainer „einfach sehr gut aufgehoben“. Er hatte von Anfang an Anschluss, und die tschechische Art, das Leben insgesamt entspannter anzugehen, hat ihn gut durch die Corona-Zeit gebracht. Das Freiwilligen-Jahr hat sein Leben und seine Zukunftspläne nachhaltig geprägt. Eine Tätigkeit im Nachbarland kann er nur wärmstens empfehlen: „Obwohl Tschechien nur ein kleines Land ist, sollte man es nicht unterschätzen: Schließlich liegt es im Herzen Europas, hat einen besonderen, sehr interessanten Charakter und entwickelt sich sehr gut – als wichtiger Brückenpfeiler zwischen Ost und West.“

Deutsch ist Trumpf bei der Arbeit in Prag

Valentina Pajaziti nahm Ende Juli 2018 ihr Zeugnis als Staatlich geprüfte Übersetzerin in Empfang und begann am 1. August ihre neue Arbeit bei einem Online-Reisebüro in Prag. Damit ist sie die zweite Absolventin der Weidener Fachakademie, die sich in Richtung Tschechien orientierte.

Warum Tschechien, warum gerade Prag? Bei den Jobangeboten in Deutschland, so Valentina, sei nichts Reizvolles dabei gewesen. Doch im Nachbarland wurde sie gleich mehrfach fündig. „Dort werden Mitarbeiter gesucht, die Englisch und vor allem Deutsch können. Eigentlich wollte ich nicht ins Ausland gehen, aber der Gedanke an Prag beschäftigte mich immer öfter.“ Den Ausschlag gab, dass Valentina im Jahr zuvor ein Stipendium für die Sommerschule in Prag erhalten und diese vier August-Wochen Intensivsprachkurs an der Karls-Universität als „unvergessliche Zeit“ in Erinnerung behalten hatte.

Expedia, Inc., ist ein amerikanisches Online-Reisebüro, das die Website expedia.com betreibt. Die Stelle als „Lodging Partner Associate“ entdeckte Valentina im Internet auf indeed.com. Das Vorstellungsgespräch fand per Webcam auf Englisch statt. Zwei Tage später hatte sie bereits die Zusage. Ihr Aufgabengebiet umfasste die Hotel- und Kundenbetreuung für Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Wie lässt es sich im teuren Prag leben? „Expedia bot mir ein angemessenes Gehalt, dazu diverse Vergünstigungen wie eine Monatskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel. Die Wohnungssuche war ein absoluter Glücksfall, denn ich wurde von einer Personalagentur betreut, die in Verbindung mit Expedia alle Angelegenheiten für die Einstellung regelte. Eine junge Frau, mit der ich mich auf Anhieb verstand, erzählte mir, dass ihre Mitbewohnerin in Kürze ausziehen würde und ich somit die Wohnung mit ihr teilen könnte.“ Spontane menschliche Hilfe und Zuwendung – eine tschechische Stärke, von der auch Valentina profitierte und die ihr die neue Umgebung liebenswert machte.

Wie es das Schicksal will, durchkreuzen sich oft Lebenswege. Valentinas Neigung zu Tschechien bekam handfeste Konkurrenz in Form eines deutschen Lebenspartners. Kurz gesagt: Sie ist inzwischen wieder zurück in ihrer Heimat. Doch möchte sie die Jahre im Nachbarland nicht missen. Für sie hat sich der Blick über den bayerisch-tschechischen Tellerrand gelohnt und ihr den Start ins Berufsleben ermöglicht.