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Praktikum bei BHS Corrugated Tachov

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Praktikum bei BHS Corrugated Tachov

Mit Eidechse und ohne Corona

Woran denkt ein normaler Mensch beim Wort „Ferien“?  Genau: Sommer! Sonne! Schulfrei! Praktikum! Moment mal, haben wir da richtig gehört?

Als uns Frau Hielscher im Tschechischunterricht 3 Wochen vor den Sommerferien ein Praktikum anbot, haben wir erstmal geschnaubt. Wer opfert freiwillig eine Woche Freizeit, um für schwer beschäftigte Firmenmitarbeiter Kaffee zu holen und Papierkram zu organisieren? Doch als wir erfuhren, dass wir vom 3. bis zum 7. August einen Blick hinter die Kulissen der internationalen Firma BHS Corrugated im westböhmischen Tachov werfen durften, ließen wir uns nicht zweimal bitten. Und wir können an dieser Stelle verraten: Wir würden uns wieder dafür entscheiden.

Wir fuhren also am Montag überpünktlich – die deutschen Kartoffeln hatten ja schließlich einen Ruf zu verlieren – nach Tachov, wo wir von Kateřina Krutinová, der Assistentin der Geschäftsleitung, herzlich empfangen wurden. Los ging es mit einer Führung mit Pan Veselý („Herrn Fröhlich“) durch die zahlreichen Lagerhallen und Bürogebäude der Firma. Kurze Info zu BHS: Der Global Player ist der weltweit größte Hersteller von Maschinen zur Wellpappen-Produktion (engl. „corrugator“) und beschäftigt rund 2.200 Mitarbeiter in mehr als 20 Ländern. Für uns entpuppte sich der Rundgang als perfekte Gelegenheit, Block und Stift zu zücken, um eine Reihe neuer Vokabeln zu notieren. Die größte Herausforderung war dabei das tschechische Wort für „Gabelstapler“: Der „vysokozdvižní vozík“ stellte alles im Lauf dieser Woche Gehörte in den Schatten. Nicht weniger verwirrend: Der Stapler heißt bei den Tschechen umgangssprachlich „ještěrka“, also „Eidechse“. Als Dank für unsere Mühen spendierte uns die Firma – wie übrigens während des gesamten Praktikums – ein üppiges Mittagessen. Jeden Tag hatten wir die Qual der Wahl unter mehreren klassisch tschechischen Gerichten und bekamen dazu Gratis-Konversation mit den Kollegen serviert.

Am Dienstag stand zunächst Englischunterricht auf der Agenda. Nicht für uns, sondern für die Azubis der Firma. Wir genossen die Abwechslung, denn hier konnten auch wir mal in einer Fremdsprache glänzen, während die Tschechen ins Schwitzen gerieten. Anschließend bekamen wir einen Einblick in die täglichen Aufgaben eines Lageristen. Beim Erkunden der endlosen Gänge im Lager mussten wir ständig aufpassen, damit uns keine der „Eidechsen“ umfuhr! Echte Arbeit gab es für uns hier allerdings nicht; also vertrieben wir uns die Zeit am Pausentisch mit den Kollegen und wurden in jedes Gespräch mit eingebunden – eine willkommene Abwechslung zum Fachwortschatz des Vortages. Anders als oft in Deutschland ging alles ziemlich locker und entspannt zu.

Den Mittwoch verbrachten wir in der Sicherheitsabteilung, wo uns – natürlich auf Tschechisch! – erklärt wurde, was zum Schutz von Mitarbeitern und Umwelt getan werden muss. An einem Auszug aus den Richtlinien konnten wir unsere Fähigkeiten als Übersetzerinnen testen. Das war gar nicht so leicht, denn solche Dokumente glänzen nicht gerade mit leicht verständlichen Sätzen. Hier kam uns tatsächlich der tschechische Korrespondenzunterricht aus dem 2. Schuljahr zugute – wer hätte das gedacht?

Am Donnerstag wurden wir durch die zweite Produktionsstätte der Firma im Zentrum von Tachov geführt. Dort erhielten wir unsere erste körperlich anstrengende Aufgabe: die Metallbestände der Firma zu messen und die Werte aufzuschreiben. Wir bewaffneten uns also mit einem Maßband, marschierten das Gelände auf und ab, krabbelten, hüpften und stellten uns auf die Zehenspitzen, um selbst an die obersten Metallplatten zu gelangen. Begleitet wurden wir dabei von zwei jungen Männern, die uns bereitwillig mit ihrer „Eidechse“ unterstützten, wenn etwas außer Reichweite lag. Schließlich gestand einer der „Eidechsenfahrer“, dass er sämtliche Maße mühelos auswendig vortragen konnte. Na klasse! Diese Arbeit hätten wir uns wohl sparen können. Spaß gemacht hat’s trotzdem.

Doch offenbar hatten wir bei den Jungs in der Zweitstelle einen ziemlich guten Eindruck hinterlassen, denn wir verbrachten auch einen Teil des Freitagvormittags dort. Es wurden schließlich sogar Telefonnummern ausgetauscht. Anschließend trainierten wir unser Tschechisch im Büro mit den Angestellten. Da es unser letzter Tag in Tachov war, durften wir schon nach dem Mittagessen die Rückfahrt nach Weiden antreten – satt und zufrieden, mit vielen neuen Erfahrungen, Erkenntnissen und Bekanntschaften, dazu sehr dankbar für die herzliche und unkomplizierte Aufnahme bei BHS Tachov.

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Viele werden sich jetzt vielleicht fragen: Warum kommen im gesamten Bericht kein einziges Mal die Begriffe „Corona“ und „Maskenpflicht“ vor?

Das liegt wohl daran, dass wir beim Praktikum auf keines dieser Wörter gestoßen sind.

Anders als in Deutschland gab es im August in Tschechien kaum Beschränkungen. Es schien fast, als ob das Virus hier nie sein Unwesen getrieben hätte: überall Händeschütteln, keine Maske in Sicht und auch kein ständiges Hände-Desinfizieren, was für unsere strapazierte Haut eine willkommene Erholung war.

Allerdings spitzte sich im Herbst die Corona-Lage in Tschechien dramatisch zu und das Land verhängte erneut einschneidende Schutzmaßnahmen. Wir hatten daher sehr großes Glück, dass unser Praktikum überhaupt noch stattfinden konnte – das wohl letzte an der Fachakademie im Jahr 2020.

Katharina Luber und Patricia Wolfrath, FAE 3